COMMITMENT ZUM INTERNATIONALEN PRODUKTIONSSTANDORT FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST!

28.02.2012
Pressekonferenz des LVBG mit StS. André Schmitz im Roten Rathaus am 28.02.12 (Foto: LVBG)

Berliner Galerien stehen gemeinsam hinter einer Messe für Gegenwartskunst im Herbst. 

Vorbemerkung: 

Berlin hat sich in den letzten Jahren zu einer der führenden Kunstmetropolen der Welt entwickelt. Mit weit über 6.000 Künstlern, die von Berliner Galerien vertreten werden und geschätzt noch einmal so vielen freien Künstlern, ist Berlin immer noch führender Produktionsstandort für zeitgenössische Kunst weltweit. Ausstellungen in Berlin dürfen heute in keiner Künstlervita fehlen! 

Seit dem Mauerfall hat sich Berlin zum größten Galerienstandort in Europa entwickelt. Vom traditionsreichen Kunsthandels-Quartier Charlottenburg aus, entstanden und entstehen neue Galeriequartiere wie Mitte, Checkpoint Charlie, Heidestraße und zuletzt Tiergarten. Jüngste Impulse kommen derzeit aus „Kreuzkölln“. 

Das Berliner Profil: international, innovativ und zeitgenössisch – sorgte bis dato national wie international für Aufmerksamkeit. 

Mit der Gründung des Art Forums 1996 hat die Stadt entsprechend der Entwicklung zum größten Produktionsstandort für zeitgenössische Kunst ein Signal mit Strahlkraft für Berlin gesetzt. Um die Messe herum organisierte sich der legendäre Kunstherbst Berlin und Satellitenmessen griffen seit 2004 das Angebot des künstlerischen Diskurses auf. 

Das ursprüngliche Konzept des Art Forum setzte genau auf dieses Profil: aktuelle Gegenwartskunst. Ein Alleinstellungsmerkmal unter der wachsenden Zahl von Kunstmessen, konsequent für Berlin aber problematisch aufgrund des historisch bedingten Kapitalmangels. Mittlerweile hat sich allerdings nicht zuletzt durch den Hauptstadt-Status eine neue Sammlerklientel herangebildet, von denen einige eigene Showrooms unterhalten. 

Woran die Berliner Kunstmesse litt, war neben strukturell schwachen Reformansätzen vor allem die mangelhafte Ausstattung der Messe. Ein gravierender Wettbewerbsnachteil auf dem Weg zu einem international anerkannten Kunst-Marktplatz. 

Im Nachgang der kurzfristigen Absage des Art Forums in 2011 und der damit einhergehenden Diskussion zur Struktur und Machtverteilung an Europas größtem Kunststandort hat der Landesverband Berliner Galerien (LVBG) zur Erhebung eines umfassenden Meinungsbildes und der Ermittlung möglicher Handlungsoptionen für den Kunstmarkt Berlin eine Umfrage unter allen Berliner Galerien gestartet. 

Der LVBG sieht sich als Berufstandsvertretung der Berliner Galerien dem gesamten Standort verpflichtet. Seit 17 Jahren setzt sich der LVBG auf kultur- und wirtschaftspolitischer Ebene für die nachhaltige Entwicklung des Galerienstandortes Berlin ein und ist in zahlreichen Gremien des Berliner Kulturbetriebs vertreten. Der LVBG begleitet in vielfältiger Form die aktuellen Entwicklungen am Galerienstandort Berlin und bietet unterschiedliche Plattformen an, so den Gesamt-Berliner Kunstfaltplan BERLINER GALERIEN, die Fachseminare zu branchenrelevanten Themen sowie die Durchführung von Messepräsentationen Berliner Galerien auf dem internationalen Kunstmarkt. Nicht zuletzt dokumentiert der LVBG die Galerienlandschaft Berlins – er führt ein kontinuierliches Listing der Berliner Galerien. 2003 führte der LVBG eine erste Erhebung zum Gesamt-Berliner Galerienstandort durch (damals konnten 283 Galerien befragt werden). 



Beteiligung: 

Für die Umfrage wurden allein die kommerziell ausgerichteten Galerien berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wurden neben den Museen die nicht-kommerziellen Projekträume und Institutionen. Diesbezüglich wurde das Listing nochmals geprüft und aktualisiert. Von den ursprünglich 421 zum Zeitpunkt des Starts der Umfrage erfassten Galerien wurden letztlich 373 kommerzielle Galerien für zeitgenössische Kunst erreicht (weiterhin sind 79 Projekträume und Institutionen beim LVBG erfasst – ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben, da sie nicht rein galeristisch tätig sind). Die Umfrage wurde sowohl postalisch als auch elektronisch versendet. Die Galerien konnten per Brief, per Fax oder mittels eines elektronischen Fragebogens online an der Umfrage teilnehmen. Es wurde telefonisch nachgefasst. Insgesamt haben 224 Galerien geantwortet. Das sind mit 60,1 % die absolute Mehrheit der Berliner Galerien. 



I. AUSWERTUNG der Galerieumfrage zum Messestandort Berlin im Herbst: 

Folgende Aussagen konnten aufgrund der Befragung herausgearbeitet werden. 

Die überwiegende Mehrheit der Berliner Galerien (75 %) beurteilt die Absage der Kunstmesse Art Forum Berlin als falsch. 
Für knapp die Hälfte der Galerien (49,1 %) hat die Absage des Art Forums negative Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb ihrer Galerie.
Nach Aussage der absoluten Mehrheit der Galerien (59,4 %) hat die Absage der Messe einen großen Schaden für den Kunststandort Berlin.

Großer Schaden: 59,8 %, Geringer Schaden: 27,2 %, Kein Schaden: 6,3 %, Weiß nicht: 5,4%, Keine Angaben: 1,8 %
Die Mehrheit der Galerien (55,8 %) beurteilt den in 2011 mit art berlin contemporary (abc) und Preview durchgeführten Termin im September als richtig.
Die Bedeutung der Kunstmesse Art Forum Berlin sahen die Galerien vor allem in 

a) der Imagestärkung Berlins als Kunststandort (179 Nennungen) - 24,3% 

b) der Stärkung des hiesigen Kunstmarktes/Galerienstandortes (173 Nennungen) - 23, 5 % 

c) der Anziehungspunkt für den Kunsttourismus (158 Nennungen) - 21,4% 

d) der Pflege von Kontakten und Geschäftsbeziehungen (128 Nennungen)(Mehrfachnennungen waren möglich) - 17,4 % 

sowie Interne Motivation: 11,7%, Keine Beduetung: 1,1%, Keine Angaben: 0,7%
Die Kunstmesse im Herbst war bislang eindeutiger Anlass für die Berliner Galerien besondere Aktivitäten zu diesem Termin anzubieten (verlängerte Öffnungszeiten, besondere Ausstellungen/Veranstaltungen, sowie Sammler und Kuratoren einzuladen).
Der überwiegende Teil der Berliner Galerien (57,2 %) hat in den letzten drei Jahren das Berliner Kunstmessen-Angebot im Herbst genutzt.
Dabei lag das Interesse für eine Teilnahme im Herbst 2011 der Rangfolge nach in: 

a) Art Forum Berlin (24,9 %), b) art berlin contemporary (abc) (19,2 %), c) Preview Berlin (10,9 %), d) Berliner Liste (3,4 %), e) Kunstsalon (1,1 %)
Im Vergleich zum „verunglückten“ Kunstherbst 2011 beurteilt das Gros der Galerien das Gallery Weekend im Frühjahr als positive Veranstaltung (42 %) bzw. als gleichwertig (22,3 %).
Allerdings wird ein Marktplatz im Herbst benötigt und gewünscht, denn: Befragt nach der Zukunft einer Kunstmesse wie dem Art Forum meinen die meisten Galeristen, dass 

a) das Art Forum wie gewohnt statt!nden sollte (33,1 %) 

b) die Messe mit einer bestehenden Berliner Messe verschmelzen sollte (28,1 %; hiervon meinen 19,8 % mit abc, 8,3 % mit Preview) 

c) die Messe in einer anderen Form, mit anderen Partnern stattfinden sollte (25,2 %) 

sowie Verschmelzung mit der Preview: 8,3%, Es braucht keine Messe wie das Art Forum: 7,6%, Keine Angaben: 6,1%
Als Ausrichter einer Berliner Kunstmesse in 2012 sieht die Mehrheit der Galerien in Rangfolge 

a) die Messe Berlin (29,2 %), b) den Galerienverband (22,4 %), c) eine Private Gesellschaft (18 %) 

sowie Andere: 14%, Berliner Senat: 9,3%, Keine Angaben: 7,1%



II. BEWERTUNG 

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Berliner Galerien die Absage des Art Forums eindeutig als falsch bewertet, da es 

- den Kunststandort Berlin beschädigt, 

- negative Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb der Galerien hat, 

- das Image Berlins als internationale Kunstmetropole gefährdet. 

Rückblickend gesehen sorgte die Kunstmesse 

- für die Strahlkraft des Produktionsstandortes Berlin auf den internationalen Markt, 

- für die Stärkung des Kunstmarktes vor Ort, 

- als Anziehungspunkt für den Kunsttourismus, 

- für qualitative Vielfalt durch das besondere Programm der Kunstszene, 

- für substantielle Investitionen der Galerien in den hiesigen Kunstmarkt durch eigene Messebeteiligung 

- diente der Pflege und Gewinnung von Geschäftskontakten über die Grenzen der Stadt hinaus. 

Konkret bedeutete die Absage des Art Forums Imageverlust und wirtschaftlichen Schaden für Berlin, durch 

- Verunsicherung des nationalen und internationalen Kunstpublikums im Hinblick auf den Produktionsstandort Berlin, 

- Ausbleiben überregionaler und internationaler Sammler, wie man bereits im Herbst 2011 sowohl auf der abc als auch auf der Preview und in den Galerien selbst bemerken konnte, 

- Geschäftsverluste für den Berliner Kunstmarkt im Herbst, 

- Ausbleiben der Initialwirkung für den Kunsttourismus. 

Das auf die Messe ausgerichtete Veranstaltungsangebot der großen Berliner Ausstellungshäuser 

entfiel und schwächte den konzertierten Auftritt der Kunstszene Berlins, und reduzierte so die 

Attraktivität für Berlin Besucher. 

Darüber hinaus verursachte die Absage des Art Forums, dass der Termin schnell durch 

Konkurrenzveranstaltungen besetzt wurde (DC Open – Düsseldorf Cologne Open Galleries und 

Viennafair). 



III. PERSPEKTIVEN: 

Die Ergebnisse der Galerieumfrage zeigen, dass die galeristische Initiative des Gallery Weekend Berlin im Frühjahr durchaus positiv bewertet wird, dennoch wünscht die Mehrheit der Galerien eine Kunstmesse für den Herbst. 

Dabei werden vor allem die Neuauflage einer Hauptmesse für Gegenwartskunst, aber mit optimiertem Konzept - die Verschmelzung mit einer der bestehenden Messen, als auch die Durchführung in völlig anderer Form bzw. mit anderen Partnern - genannt. 

Konkret gefragt nach Vorschlägen und Möglichkeiten einer Wiederherstellung der Berliner Kunstmesse äußerten sich die meisten Galeristen zu den Themen: Konzept, Pro!l und Marketing, sowie zur konkreten Ausrichtung inkl. Termin und Standort. 

- Konzept: Qualitative Ausrichtung auf das Berliner Pro!l: international, innovativ, zeitgenössisch; aber auch etablierte Kunst des 20. und 21. Jahrhundert; Aufschluss zu neuen Entwicklungen wie Design und Urban Art. 

- Stärkung des Berliner Pro!ls als internationalem Produzentenstandort und gleichzeitig größtem Galerienstandort; die Marke „Gegenwartskunst aus Berlin“ sollte sich auf der Messe spiegeln. 

- Marketing: ein starkes und konzentriertes Marketing mit internationaler Ausrichtung seitens des Landes Berlin wird gefordert. Die Einrichtung eines vergleichbaren Marketingtools wie am Beispiel Fashion Week. Gefragt ist das klare Bekenntnis der Politik zum Standortfaktor Kunst. 

- Dies bezieht sich auch als klare Aufforderung an alle Akteure der Kunstszene zur Zusammenarbeit im Sinne der nachhaltigen Entwicklung eines Standortes mit herausragenden Bedingungen. 

- Es gilt, sich zur Internationalität zu bekennen, statt Provinzialität zu befürchten. 

- Ausrichter: Eine Messe die vom Land Berlin getragen wird; geführt von einem Art-Direktor mit unabhängigem fachlichem Beirat; oder eine Privatgesellschaft in Kooperation mit internationalen 

Messeausrichtern. 

- Destruktives Konkurrenzverhalten und Cliquenbildung werden eindeutig abgelehnt. Stattdessen wird eine unabhängige, rotierende und transparente Fachjury gefordert. 

- Marktplatz: ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis für Galerien als Aussteller auf der Basis des Standortes Berlin, als ein sich noch entwickelndem Marktplatz, wird angeregt. Dies erhöht auch die Attraktivität für auswärtige Aussteller. 

- Standort: die Messehallen werden als nicht zwingend angesehen; Berlin-typische Locations sind gefragt. 

- Termin: mehrheitlich Anfang/Mitte September. 

Aus den Ergebnissen der Galerieumfrage lassen sich folgende FORDERUNGEN ableiten:

- Wiederherstellung einer Berliner Messe für Gegenwartskunst im Herbst! 

- Eine adäquate Ausstattung des Marketings der Messe und die Gewährleistung einer 

gebündelten Kommunikation seitens des Landes Berlin für den Kunstherbst! 

- Das klare Bekenntnis von Stadt und Politik zum Standortfaktor Kunst! 



IV. EMPFEHLUNG des Landesverbandes Berliner Galerien (LVBG): 

Berliner Galerien sind vielfältig und professionell aufgestellt und stehen für die erfolgreiche Kunstvermittlung aus Berlin. Ihre Initiativen sorgen für nationale und internationale Imagebildung auf hohem Niveau. Sie bilden den Nährboden für die Attraktivität der Stadt und haben Signalgeber-Funktion für den wachsenden Kulturtourismus. 

Der bisherige Erfolg der Kunstmetropole Berlin ist maßgeblich auf das frühe internationale Engagement, den Erfindungsreichtum und das unternehmerische Geschick Berliner Galeristen zurückzuführen. 

Jüngste Beispiele wie die Investition des Galeristen Fuchs in die Jüdische Mädchenschule oder das Vorhaben des Galeristen König in der Kreuzberger St. Agnes Kirche, aber auch das Engagement privater Sammler, beweisen das Zutrauen von Investoren in den Standort Berlin, unter den besonderen Bedingungen einer Stadt im Umbruch, die nach wie vor gestalterische Möglichkeiten bietet. 

Diese Positivbeispiele fordern geradezu die Verantwortung für die Pflege und Weiterentwicklung der grundsätzlich hervorragenden Bedingungen am Standort, will man das „Berliner Kunstwunder“ nicht gefährden. So begründet auch das Gallery Weekend Berlin als galeristisches Engagement im Frühjahr die wachsende Bedeutung der Kunstmetropole Berlin. Zusätzlich besteht jedoch die Notwendigkeit eines eigenen Marktplatzes im Herbst. 

Rückblickend gesehen war das Art Forum trotz aller Schwierigkeiten für eine geraume Zeit die wichtigste Kunstmesse in Deutschland und eine der renommiertesten in Europa. Der konzeptuelle Ansatz, sich auf das Berliner Pro!l als internationalem, innovativem und zeitgenössischem Produktionsstandort zu konzentrieren, ist richtig! 

Die bisherigen Reformansätze, die in ein „Verbaseln“ der Berliner Messe mündeten sind gescheitert. Einzig das gemeinsame Commitment und eine adäquate Investition in das Berliner Alleinstellungsmerkmal „Gegenwartskunst“ versprechen den durchschlagenden Erfolg. 

Mit der Galerienumfrage hat der Landesverband Berliner Galerien (LVBG) bewiesen, dass die Berliner Galerien durchaus konsensfähig sind. Klare Meinungsbilder lassen sich trotz der Diversität der einzelnen Akteure deutlich erkennen. Die Galerienszene benötigt eine tragfähige Infrastruktur, die den Berliner Kunstherbst mit Messe und vielfältigem Programmangebot koordinieren kann.

 

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