Klarstellung | Pandemiebedingtes Investitionsförderprogramm
Der Landesverband Berliner Galerien e. V. (lvbg) schließt sich dem Statement des BVDG vollumfänglich an.
In mehreren Beiträgen des Deutschlandfunk Kultur im November 2022 sowie in der Sendung Kulturzeit (3sat am 22. November 2022) versteigt sich der Deutschlandfunk-Redakteur Fabian Dietrich zu folgender Aussage:
"Wir sind auf ganz merkwürdige Geldfördertöpfe gestoßen, die bis heute in der Öffentlichkeit nicht bekannt sind." … Es handle sich dabei um „einen noch immer offenen Fördertopf, aus dem sich kommerzielle Kunstgalerien bedienen und Toiletten, Computer und Umbaumaßnahmen finanzieren lassen können“. Er würde sich freuen, wenn die Kulturstaatsministerin „Claudia Roth den Fördertopf vom DVA schließt und diesen für die Kultur rettet“.
Diese Aussagen sind falsch. Wir stellen sie hier richtig:
I. Bei dem "Pandemiebedingten Investitionsförderprogramm"* handelte es sich nicht um einen "merkwürdigen Geldfördertopf“, sondern um ein Programm, das es öffentlich zugänglichen privaten Museen, Gedenkstätten und Ausstellungshäusern ermöglichen sollte, die Pandemie – mit ihren Lockdowns, Hygienevorschriften und Publikumsbeschränkungen – gut zu bewältigen und ihre kulturellen Angebote aufrecht zu erhalten.
Gefördert wurden deshalb:
Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen, die dem Infektionsschutz dienen sollten (sowohl in öffentlich zugänglichen Ausstellungsräumen als auch in Büros und Arbeitsplätzen),
Einbauten von Schutzvorrichtungen, die Modernisierung von sanitären Einrichtungen, die Umgestaltung von Nutzflächen, Klima- und Belüftungssysteme (inkl. Filteranlagen) sowie Desinfektionsausstattung,
der Ausbau von IT-Infrastruktur, insbesondere der Erwerb von Laptops für mobiles Arbeiten sowie Film-, Videokonferenz- und digitale Präsentationstechniken.
Ziel der Fördermaßnahme war es, Ausstellungsstätten für den Publikumsverkehr in Zeiten der Pandemie sicher zugänglich zu machen und Mitarbeiter:innen im Homeoffice in die Lage zu versetzen, den Betrieb weiterzuführen.
Die Anträge mussten begründet an den DVA gerichtet werden. Dieser entschied über die Bewilligung. Die Kostenerstattung erfolgte nach Einreichung der Kaufbelege bzw. Rechnungen von Dienstleistern und Gewerken, die durch das Programm – so der Sinn von Infrastrukturförderungen – ebenfalls gefördert wurden.
II. Es ist unwahr, dass die Investitionsförderung von Kultureinrichtungen „in der Öffentlichkeit nicht bekannt“ gewesen sei.
Richtig ist: Sämtliche Informationen waren (und sind) auf der Website des Deutschen Verbandes für Archäologie öffentlich zugänglich. Die "Öffentlichkeit“ hat sich offenbar nicht sonderlich dafür interessiert. Die Informationen sind bis zum heutigen Tage auch auf der Website des BVDG zu finden.
Die erste Information über das Programm wurde vom BVDG – inklusive der für jedermann nachlesbaren Fördergrundsätze – am 26. Oktober 2020 veröffentlicht: https://www.bvdg.de/Investitionsfoerderung_Galerien_Kunsthandel
Am 23. März 2021 (sowie am 26. August 2021) informierte der BVDG über die jeweilige Verlängerung der Antragsfristen und stellte erneut die Fördergrundsätze sowie FAQs sowie eine Checkliste für benötigte Unterlagen auf seine Website ein: https://www.bvdg.de/Foerderprogramm_pandemiebedingte_Investitionen
Der BVDG war weder an der Konzeption, noch an der Ausschreibung und auch nicht an der Durchführung des Investitionsförderprogramms beteiligt.
III. Galerien haben sich aus dem Fördertopf nicht „bedient“ – wie im Jargon der Unterstellung einer Vorteilsnahme suggeriert wird.
Richtig ist: am 20. Oktober 2020 wurde der BVDG vom Deutschen Verband für Archäologie (DVA) darüber informiert, dass das "Pandemiebedingte Investitionsförderprogramm" auch für Galerien gelte.
Galerien waren antragsberechtigt, weil es sich bei ihnen um öffentliche "Ausstellungshäuser" handelt und weil sie ihre "Einnahmen selbst erwirtschaften" – dies waren entscheidende Voraussetzungen für eine Förderung, denn
Galerien arbeiten auf eigenes wirtschaftliches Risiko und veranstalten regelmäßig vier bis zehn Mal im Jahr kostenfreie und für eine uneingeschränkte Öffentlichkeit zugängliche Ausstellungen.
Der Charme des Programms lag gerade darin, dass damit nicht abermals den großen, staatlich subventionierten Museen, sondern auch den überwiegend bürgerschaftlich organisierten und kleineren privatwirtschaftlichen Kultureinrichtungen geholfen werden sollte. Dazu zählen Galerien.
Selbstverständlich informierte der BVDG seine Mitglieder umgehend über diese Fördermöglichkeit.
IV. Die Aussage, der Fördertopf sei "noch immer offen" und Galerien könnten sich weiterhin davon „bedienen“, ist falsch: Die Frist für Anträge von Galerien endete am 30. September 2021.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Deadline der Antragstellung nicht mit dem Datum daraus folgender Lieferungen identisch sein kann: Bestellungen bzw. Aufträge konnten erst nach der Bewilligung von den Geförderten erteilt werden. Deren Erfüllung konnte allerdings im Einzelfall (z.B. wegen der bekannten Lieferengpässe) erst zeitverzögert stattfinden.
V. Der Aufruf, der Fördertopf möge geschlossen werden, um ihn für die Kultur zu retten, offenbart des Sprechers Einfalt. Denn genau dieser Rettung galt das Programm.
FAZIT
Das Investitionsförderprogramm wurde der pandemiegemäßen Ausrüstung von überwiegend nicht-staatlichen Kultur- und Ausstellungsstätten ebenso gerecht wie dem Ruf nach Digitalisierung, die in der Krise in fast allen Bereichen existentiell wurde. Galerien konnten nun unter Lockdown-Bedingungen den Kontakt zu einer lange aufgebauten Community an Sammlern, Künstlern und Kuratoren aufrecht erhalten, indem sie Ausstellungen und Kommunikation kurzerhand ins Netz verlegten.
Die Anwürfe gegen das Investitionsförderprogramm sind Bestandteil einer Deutschlandfunk-Serie, die unter dem präjudizierenden Titel „Die Kunst des Lobbyierens“ gezielt am Tag vor der Eröffnung der ART COLOGNE, Deutschlands wichtigster Kunstmesse, am 15. November 2022 gestartet wurde. Damit stand auch der BVDG als Interessenvertretung der Galerien unter Beschuss.
Galerien investieren aus eigenen Mitteln in Künstlerinnen und Künstler, in Projekte, Ausstellungen, Kataloge, Messen und Veranstaltungen zur Kunstvermittlung. In der Pandemie hat der Staat erstmals in Galerien investiert. Er hat die Bedeutung ihrer Arbeit für die Kultur endlich anerkannt: Galerien sind die ersten, komplementären Partner der Künstler:innen. Deshalb wurden diese Förderer der bildenden Künste durch die öffentliche Hand gefördert. Das war richtig und wichtig – denn es war eine Investition in den Kulturstandort Deutschland.
Als die Pandemie im März 2020 mit dem ersten Lockdown das gesellschaftliche und kulturelle Leben lahmlegte, erhielten wir viele Anrufe von Journalisten. Ihr Interesse galt primär der Frage: Wieviele Galerien gehen wann in die Insolvenz? Der BVDG war für seine Mitglieder dankbar, dass eben dies durch die Hilfsmaßnahmen des Bundes nicht geschah.
Monate nachdem sich das Gelingen der NEUSTART-Programme zeigte, verströmt ein abgabefinanzierter Kultursender unter dem Label einer Investigativrecherche das Gift der Diskreditierung in einen Kulturbereich, dessen Akteure wegen behaupteter Überförderung unter Generalverdacht gestellt werden. Es werden Vorurteile gegen den Kunstmarkt in Deutschland geschürt, indem der Fokus auf dessen Spitzenunternehmen gerichtet und auch deren – in der Corona-Krise notwendige – Unterstützung in Abrede gestellt wird.
Erschreckender als das Nichtwissen des DLF-Rechercheteams ist sein Nichtwissenwollen. Die investigative Selbstermächtigung hat mit ihrem Aufgebot an Klischees und geframter Rhetorik nicht viel mehr erkannt als die Bestätigung ihrer Ressentiments. Nichts wäre einfacher gewesen, als telefonisch oder auf Websites Expertise über den Kunstmarkt einzuholen, sich über die Praxis der Corona-Hilfen zu informieren oder die Antworten des BVDG auf Fragen zu den Förderprogrammen bei der Berichterstattung zu berücksichtigen, vgl. hier.
Auf dem Pfad der Kulturmilliarde kam dem Deutschlandfunk Kultur die Verantwortung für seriösen Journalismus abhanden. Was sich als Recherche ausgab, war schlicht Kampagne.
BVDG, Dezember 2022
* Der genaue Titel dieses Teilprogramms im Rahmen der NEUSTART KULTUR-Förderung lautet: „Pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen zur Erhaltung und Stärkung der bundesweit bedeutenden Kulturlandschaft“
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